Heiner Carow

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Heiner Carow, eigentlich Heinrich Carow, (* 19. September 1929 in Rostock; † 31. Januar 1997 in Berlin) war ein deutscher Regisseur, Drehbuchautor und Vizepräsident der Akademie der Künste der DDR.

Herkunft

Heiner Carow entstammte einer Rostocker Kaufmannsfamilie und verlor seinen Vater im Krieg. Er selbst war Mitglied der Hitlerjugend und wurde 1945 als 15jähriger zum "Volkssturm" eingezogen.

Künstlerisches Schaffen

Allgemeines

Bereits während seiner Schulzeit betätigte sich Carow künstlerisch und spielte in einem Jugendtheater mit. Nach dem Abitur studierte er von 1950 bis 1952 bei Gerhard Klein und Slatan Dudow in der Regieklasse im DEFA-Nachwuchsstudio in Berlin. Sein Abschlussfilm ist eine Dokumentation über die Schweinemast mit dem Titel "Bauern erfüllen den Plan". Anschließend arbeitete Carow im DEFA-Studio für populärwissenschaftliche Filme. Neben zehn Dokumentarfilmen, die er hier produzierte, schrieb Carow auch mehrere Drehbücher. Sein letzter und zugleich erfolgreichster Kurzfilm ist "Martins Tagebuch". Aufgrund dieser Arbeit durfte er im Jahre 1957 ans DEFA-Studio für Spielfilm nach Babelsberg wechseln.

Hier drehte er zunächst Kinder- und Jugendfilme. Über seinen ersten Film, "Sheriff Teddy" (1957), sagte er später: Ich habe mit großer Angst diesen ersten Film gemacht (...); mir war klar, wenn dieser Film misslingt, bekomme ich keinen zweiten.[1] Es folgten Filme wie "Sie nannten ihn Amigo" (1959) und "Die Reise nach Sundevit" (1966). Seit den 1970er Jahren drehte Carow Gegenwartsfilme. Der bekannteste und zugleich erfolgreichste Film war dabei "Die Legende von Paul und Paula" (1973). Dieser Film erreichte in der DDR Kultstatus. Den Film "Ikarus" (1975) schätzte Carow selbst als seine besten Arbeit ein. Weitere Projekte von Carow waren der Geschäftsführung der DEFA zu kostenintensiv[2] oder zu systemkritisch und konnten daher nicht realisiert werden. Mit "So viele Träume" (1986) konnte Carow nach langer Pause wieder einen Film fertigstellen. Seine letzten Filme für die DEFA hießen "Coming Out" (1989) und "Die Verfehlung" (1991). Neben seiner eigenen Filmarbeit betätigte er sich als künstlerischer Berater und als Kleindarsteller bei Regie-Kollegen[3]. Als die DEFA nach der politischen Wende 1991 aufgelöst wurde, arbeitete Carow vorrangig für das Fernsehen. Unter anderem drehte er Teile der Serien "Großstadtrevier" und "Praxis Bülowbogen". Mit der Serie "Kanzlei Bürger" (1995)[4] wandte er sich dem Leben und den Problemen ehemaliger DDR-Bürger kurz nach der Wende zu.

Carow wurde im Jahr 1978 Mitglied der Akademie der Künste der DDR und war von 1982 bis 1991 deren Vizepräsident. 1984 wurde er zudem Mitglied der Westberliner Akademie der Künste. Im Jahr 1996 wurde er Direktor der Abteilung Film und Medienkunst der Akademie der Künste Berlin-Brandenburg.

Wegbereiter

Künstlerische Wegbereiter waren ihm seine Lehrer Slatan Dudow und Gerhard Klein. Über Letzteren sagte er: Ich bin nie wieder einem Menschen begegnet, der auf so sensible und geradezu [ü]be[r]wältigende Weise mit Bildern und Schnitten operieren konnte.[5] Von Dudow lernte er, was für eine Haltung man braucht, um einen Film zu machen. Ihm imponierte, dass er unbequem war. Er hatte seinen eigenen Kopf. Dudow war auch dafür bekannt, dass er den Zuschauer gedanklich immer miteinbezog. Was geht die Menschen an? Was treibt sie um? Was sind ihre Geschichten? Was drängt auf die Leinwand? Auch darin hat er Carow beeinflusst. Nach ihrem Verhältnis befragt, sagte Carow, er sei ihm ein liebevoller Freund gewesen. Wann immer er mit ihm habe reden wollen, sei er ihm mit sehr viel Geduld begegnet.[6]

Für Carows Arbeit waren u.a. auch Federico Fellini, Andrei Arsenjewitsch Tarkowski und Ingmar Bergman maßgebend.[7] An Bergman begeisterte ihn, wie er - v.a. in dem Film "Wilde Erdbeeren" (1957) - die innere Welt der Leute zu öffnen verstand. Carow selbst bezeichnete seinen Film "Die Russen kommen" (1968) als einen ersten Versuch, die ganz subjektive Erlebniswelt der Helden aufzuschließen.[8]

Fellini mochte er für seine Vitalität des Erzählens, dieses tiefe Bewusstsein, dass er historisch gebunden in seinem Volk lebt, aus dem er immer erzählt - von seiner Kindheit, von seinem Erleben.[9]

Prägend war für ihn auch der Film "Iwans Kindheit" (1962) von Tarkowski - und das in Hinblick auf sein eigenes, jedoch nie verwirklichtes, Projekt "Simplicius Simplicissimus". Was mich (...) so interessiert, ist ja gerade das: wir wachsen unter historischen Bedingungen, in die auch das Erbe unserer Vorfahren eingeschlossen ist. Wir tragen es auf unseren Schultern und brauchen dazu eine Haltung.[10]

Zutiefst eigene Filme

Viel haben wir durch praktische Geschichtsveränderung bewältigt, dabei aber auch manches verdrängt. Das Gefühl, zum Volk zu gehören, bis in die Tiefe seiner Geschichte - das ist in unseren Filmen noch kaum entdeckt.[11]

Wahrscheinlich dachte Carow auch an seinen Film "Die Russen kommen" (1968), als er dies in einem Interview aus den späten 70er Jahren kritisch anmerkte.

In diesem Film setzte er sich nicht nur mit seiner eigenen Vergangenheit als Hitlerjunge auseinander, sondern konfrontierte jeden Einzelnen seiner Generation mit der Frage, welche Rolle er oder sie in der Zeit des Nationalsozialismus gespielt habe. Dadurch rührte er an ein Tabu. Eine derart radikale Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte war auch in der DDR unerwünscht. Diejenigen, die hauptbeteiligt am Verbote des Films waren, waren Funktionäre, die in der Naziwehrmacht mitgemacht hatten, in den Antifa-Schulen Umgeschulte. Sie waren Meister im Verdrängen und verstanden sich als Antifaschisten von Geburt an. Sie mochten den Film nicht, weil er sie an die eigene Mitschuld erinnerte.[12]

Carow wurde u.a. eine Psychologisierung des Faschismus vorgeworfen, weil er, statt eines eindeutigen Klassenstandpunktes zu beziehen, die Träume, Leidenschaften und Sehnsüchte seines 15jährigen Protagonisten in den Mittelpunkt stellte.

Das Verbot seines Filmes traf ihn hart. Es sei für ihn ungeheuer schmerzlich gewesen. Er habe Wochen gebraucht, sei durch seinen Garten gestolzt und habe sich gefragt, ob er überhaupt je wieder einen Film machen könne. Belastend war (...), dass alle meine Freunde, außer Konrad Wolf (...), sich gegen die Aufführung des Films ausgesprochen haben. Und das hatte zur Folge, dass ich mir gesagt habe: Wenn die alle, dann musst du doch wirklich irgendwelches falsch gemacht haben.[13]

Privates

Heiner Carow war seit 1954 mit der Schnittmeisterin Evelyn Carow[14] verheiratet. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor.

Carow starb am 31. Januar 1997 im Krankenhaus Berlin-Buch an den Folgen eines Schlaganfalls. Sein Grab befindet sich auf dem Goethefriedhof in Potsdam-Babelsberg.

Grab von Heiner Carow

Filme

  • 1952: Bauern erfüllen den Plan (Dokumentarkurzfilm)
  • 1953: Ein Schritt weiter (Dokumentarkurzfilm)
  • 1954: Dorf im Herbst (Dokumentarkurzfilm)
  • 1954: Die Wette gilt (Dokumentarkurzfilm)
  • 1955: Martins Tagebuch (Dokumentarkurzfilm)
  • 1957: Sheriff Teddy
  • 1959: Sie nannten ihn Amigo
  • 1960: Das Leben beginnt
  • 1961: Mongolia (Dokumentarfilm)
  • 1964: Die Hochzeit von Länneken
  • 1965: Jeder hat seine Geschichte (Fernsehen)
  • 1966: Die Reise nach Sundevit
  • 1968/87: Die Russen kommen (1971: als zensierte Fassung unter dem Titel "Karriere")
  • 1973: Die Legende von Paul und Paula
  • 1975: Ikarus
  • 1978: Bis daß der Tod euch scheidet
  • 1986: So viele Träume
  • 1989: Coming Out
  • 1989: Zweiradshow (Dokumentarkurzfilm)
  • 1991: Die Verfehlung
  • 1991: Begräbnis einer Gräfin (Fernsehen)
  • 1992: Vater Mutter Mörderkind (Fernsehen)
  • 1996: Fähre in den Tod (Fernsehen)

Auszeichnungen

1959 und 1967 - Heinrich-Greif-Preis

1980 - Nationalpreis

1988 - Regiepreis für "Die Russen kommen"

1989 - Deutscher Kritikerpreis

1990 - Silberner Bär für den Film "Coming Out" mit dem Silbernen Bären auf der Berlinale 1990

1990 - Konrad-Wolf-Preis der Akademie der Künste

1990 - Regiepreis auf dem Nationalen Spielfilmfestival der DDR

Quellen

  1. Carow bezog sich hier auf eine Äußerung von Dr. Albert Wilkening, den damaligen kommissarischen Leiter des Filmstudios und späteren Hauptdirektor im Filmstudio Babelsberg: "Junger Mann, Sie können in unserem Studio auch gleich zwei Filme machen, den ersten und den letzten. Überlegen Sie sich das." In: Aus Theorie und Praxis des Films (3/83: Heiner Carow - Filmkunst, die alle angeht), 12.
  2. vgl.: der Film "Simplicius Simplicissimus" (in Zusammenarbeit mit Franz Fühmann), nach dem Roman "Der abenteuerliche Simplicissimus" von Christoffel von Grimmelshausen. Die Kosten sollten sich lt. Carow auf etwa 18 Mio DDR-Mark belaufen. Die DEFA forderte von ihm eine Kürzung um 3 Mio. Hierzu "Träume und Legenden - Portrait Heiner Carow" (1994), ein Film von Fred Gehler u.a.
  3. vgl. Addio, piccola mia (DDR 1979, Regie: Lothar Warneke)
  4. Schenk, R.: Was macht die Kunst, Herr Carow?, in: Das Magazin (9/95), 30 ff.
  5. Aus Theorie und Praxis des Films (3/83: Heiner Carow - Filmkunst, die alle angeht), 12.
  6. ebd., 30.
  7. ebd., 17 ff.
  8. ebd., 19.
  9. ebd., 19.
  10. ebd., 19.
  11. ebd., 19.
  12. Carow, H.: Nachdenken über den achten Mai, in: Sonntag Nr. 16 (06.05.1990).
  13. "Träume und Legenden - Portrait Heiner Carow" (1994), ein Film von Fred Gehler u.a.
  14. https://de.wikipedia.org/wiki/Evelyn_Carow
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