Hoffbauer-Stiftung
Die Hoffbauer-Stiftung, vollständig Hoffbauer-Stiftung zu Hermannswerder bei Potsdam, wurde 1901 gegründet und bildet seit 1902 eine selbstständige Kirchengemeinde. Sie ist eine rechtsfähige kirchliche Stiftung und hat ihren Sitz auf Hermannswerder. Mit gemeinnützigen Unternehmen im Bildungsbereich und in der Altenarbeit sowie in der Verantwortung für die Kirchengemeinde der Inselkirche verwirklicht die Stiftung die Vorgaben ihrer Gründer Clara und Hermann Hoffbauer.
Geschichte
Die Anfänge
Benannt ist sie nach dem Teppichfabrikanten Hermann Hoffbauer. Dieser erkrankte während einer seiner Handelsreisen nach Ägypten schwer. Im Krankenhaus wurde er von Kaiserswerther Diakonissen gepflegt und entschloss sich zusammen mit Clara Hoffbauer, geborene Becker, das Familienvermögen in den Dienst der Diakonie einzubringen. In einem Testament setzte das kinderlose Ehepaar den Rheinisch-Westfälischen Verein für Bildung und Beschäftigung evangelischer Diakonissen in Kaiserswerth als alleinigen Erben ein. Dieser sollte für die Gründung und Leitung einer wohltätigen Stiftung für die Bildung und Erziehung weiblicher evangelischer Waisen aus dem Mittelstand zuständig sein. Geplant waren ein Waisenhaus und ein Krankenhaus, die nach dem Tode des Ehepaars errichtet werden sollten. Hermann Hoffbauer verstarb 1884. Nach seinem Tod begann Clara Hoffbauer mit der Verwirklichung des Stiftungsgedankens. 1889 erwarb sie ein ungefähr 40 Hektar großes Gelände auf der Halbinsel Tornow, das 1894 ein eigenständiger Gutsbezirk wurde. Das Gut wurde durch eine 1200 Meter lange Mauer vom Gutsbezirk Potsdam abgetrennt. Zum Gedenken an ihren Ehemann wurde die Halbinsel in Hermannswerder umbenannt. In den nächsten Jahren entstanden auf dem Grundstück ungefähr 20 Gebäude. Dadurch konnten eine eigenständige Grundversorgung und Infrastruktur hergestellt werden. Herzstück der Stiftungsanlage wurde das Diakonissen-Mutterhaus Hermannswerder.
Gründung der Stiftung
1901 wurde die Hoffbauer-Stiftung als mildtätige evangelische Stiftung von Kaiser Wilhelm II. rechtlich anerkannt und eröffnet. In dieser Zeit übergab Clara Hoffbauer dem Kuratorium der Stiftung 10 Millionen Mark und das Gut Hermannswerder mit seinen Gebäuden. Neben einem Schulgebäude befanden sich auf dem Areal sechs Waisenhäuser, eine Turnhalle, ein Kranken- und Isolierhaus, ein Mutterhaus, ein Guts- und Wirtschaftshof und eine Kapelle. 1902 entstand eine unabhängige Kirchengemeinde, in der zwei Jahre später bereits 326 Menschen lebten und arbeiteten. Durch die preußische Schulreform von 1908 konnte die Schule zum Oberlyzeum für Mädchen weiterentwickelt werden. Zudem wurden ein Lehrerinnenseminar, eine Haushaltsschule und ein Kindergärtnerinnenseminar eingerichtet. Clara Hoffbauer verstarb 1909. Das letzte noch von ihr selbst geplante Gebäude, die Inselkirche, wurde 1911 eingeweiht.
Pädagogische Blütezeit
Durch die wirtschaftlichen Folgen des Ersten Weltkrieges und die damit einhergehende Inflation kam es Anfang der 20er Jahre für die Stiftung zum Verlust ihres Vermögens. Durch städtische und staatliche Zuwendungen konnte das Erbe von Clara Hoffbauer dennoch weitergeführt werden. Die Hoffbauer-Stiftung erlangte überregionale Anerkennung. In der Evangelischen Schule wurden 360 Schülerinnen aus der gesamten Republik unterrichtet, davon wohnten 250 im Internat. Durch den neuen Anstaltsgeistlichen, den Leiter des Mutterhauses und den Direktor der Lehreinrichtung, Pastor Johannes Kühne, erlebte die Stiftung eine pädagogischen Blütezeit. Der Unterricht war geprägt durch die Reformpädagogik, die Landheim-Bewegung und den evangelischen Glauben. 1925 konnte die Hoffbauer-Stiftung eine große Bildungsvielfalt anbieten, unter anderem betrieb sie eine Grundschule, ein Oberlyzeum, eine Frauenschule und ein Säuglings- und Kinderheim. 1934 wurde das im Bauhaus-Stil errichtete "Feierabendhaus" als Alterssitz für Diakonissen eröffnet.
Umbrüche im Dritten Reich
Nach der Machtergreifung wurde die Stiftungsleitung mit überzeugten Nationalsozialisten und Parteimitgliedern neu besetzt. Die Hoffbauer-Stiftung versuchte vergebens, das evangelisch geprägte Schulleben zu bewahren und wehrte sich mit allen Mitteln gegen die Übergriffe. Durch die Ernennung von Dr. Wather Jantzen zum Schulleiter stand die Schule unter Führung der Nationalsozialisten. Gelehrt wurden Rassenkunde und >völkische< Erziehungsprinzipien. 1939 wurde die Gleichschaltung der Hoffbauer-Stiftung vollendet, nachdem die Satzung geändert und der Gauamtsleiter Arthur Bergfeld neuer Stiftungsleiter wurde. In Folge dieser wurden zwei Jahre später 60.000 Quadratmeter Grundbesitz der Stiftung an die Stadt Potsdam und Privatpersonen vergeben, die 2006 weitgehend rückübertragen wurden. Nach den Bombenangriffen 1944/45 waren das Eschenhaus, eines der Waisenhäuser, und die alte Schule vollständig zerstört. Die Kirche, das Krankenhaus, das Mutterhaus und die Schule mit der Turnhalle waren beschädigt. Im April 1945 folgte die Evakuierung der gesamten Insel.
Nach 1945
Nach dem Krieg besetzt die Rote Armee den Südteil der Insel und unterhält in den vormaligen Waisenhäusern bis 1991 ein Militärlazarett. 1946 wurde das Krankenhaus an die Stadt Potsdam verpachtet. Durch die neuen politischen Gegebenheiten war der Betrieb von Schulen in evangelischer Trägerschaft nicht mehr möglich. Sowohl die Mädchenschule als auch das evangelische Schülerinnenheim mussten geschlossen werden. 1948 vereinigte sich das Mutterhaus Bethesda, nach der Flucht aus Grünberg/Schlesien, mit dem auf Hermannswerder. 279 Diakonissen waren nun sowohl auf der Insel als auch im Außendienst tätig. Im Jahr 1950 widmete man sich mit der Gründung eines kirchlichen Oberseminars neuen Aufgaben. Hermannswerder wurde zur Ausbildungsstätte für Jugendliche. Unterrichtet wurden junge Menschen, denen ein staatliches Abitur in der DDR verwehrt wurde. Sie erlangten das Abitur nach dem Lehrplan von Nordrhein-Westfalen mit den entsprechenden Unterrichtsmaterialien. 1954 wurden auch Frauen für diese Ausbildung zugelassen. In den darauffolgenden Jahren wurde ein Seminar für Geriatrie-Diakonie (Altenpflege) errichtet, das die erste Ausbildungsstätte dieser Art in der DDR darstellte. Zudem konnten ein Alten- und Pflegeheim, ein Rehabilitationszentrum, ein Versorgungszentrum und ein Wohnhaus für Menschen mit Körperbehinderung eröffnet werden. Bereits 1949 war die Hoffbauer-Stiftung regelmäßiger Treffpunkt evangelischer Jugendlicher. Ein jährlich stattfindender Landesjugendtag informierte über Fragen des Lebens und des christlichen Glaubens.
Entfaltung nach der DDR
1990 wurde das Evangelische Gymnasium Hermannswerder die erste anerkannte freie Schule in Brandenburg. Nach Abzug der Roten Armee wurden die Gebäude der Hoffbauer-Stiftung saniert und teils verpachtet. Das Krankenhaus konnte wieder der Stiftung übertragen und modernisiert. werden. Heute ist es die Seniorenpflege auf Hermannswerder unter der gemeinsamen Trägerschaft der Hoffbauer-Stiftung und dem Klinikum Ernst von Bergmann.
Seitdem konnte die Hoffbauer-Stiftung ihre Tätigkeit als Bildungsträger über Hermannswerder hinaus entfalten. Von der Kita bis zum Berufsabschluss begleitet die Stiftung Kinder, Jugendliche und Erwachsene auf ihrem Bildungsweg in Trägerschaft der 2006 gegründeten Hoffbauer gGmbH.
Die Insel Hermannswerder ist als Naherholungsgebiet beliebt. Große Teile des Areals stehen unter Naturschutz. Das Gebäudeensemble der Stiftung steht unter Denkmalschutz. Obwohl öffentlich zugänglich, ist die Insel Hermannswerder in Privatbesitz der Hoffbauer-Stiftung. Grund und Boden darf satzungsgemäß nicht veräußert werden, deshalb stehen zum Beispiel das Inselhotel und die neuen Wohnhäuser auf der Fährwiese auf Erbpachtgrundstücken.
Heute werden die Räumlichkeiten der ehemaligen Waisenhäuser Linde (Haus 9) und Tanne (Haus 10) im Waisenhauskomplex I von den Beruflichen Schulen Hermannswerder mit den Ausbildungsgängen Sozialassistenz und Sozialpädagogik genutzt. Der Waisenhauskomplex II mit den Gebäuden Kastanie, Buche und Ulme (Haus 14, 15 und 16) wurde ab 1994 aufwändig modernisiert. Seit 2021 nutzt der Gesundheitscampus Potsdam die Gebäude für die Ausbildung in Gesundheitsfachberufen.
Unterschutzstellung der historischen Gebäude
Im Jahr 2012 wurden die Gebäude der Hoffbauer-Stiftung mit der OBJ-Dok-Nr.: 5000 09156161 unter Denkmalschutz gestellt. Die Eintragung umfasst das Torgebäude, Pförtnerhaus und Umfassungsmauer, Diakonissenmutterhaus, Krankenhaus, Isolierhaus, zwei Waisenhauskomplexe (Haus Tanne, Linde, Ulme, Buche, Kastanie), Seminargebäude (Haus Birke), Oberlyceum, Wirtschaftshof mit Gutshaus, Stallungen, Scheune und Arbeitshaus, Technische Versorgung (Wasserturm, Enteisenungsanlage, Maschinenhaus), Friedhofskapelle, Stiftskirche, zwei Direktorenwohnhäuser, Feierabendhaus, Wegesystem, gärtnerisch gestaltete Anlagen und Alleen.
Dauerausstellung
Anlässlich des 111. Gründungsjubiläums wurde im Juni 2012 die Dauerausstellung „Verantwortung für Generationen“ auf der Wiese neben der Inselkirche eröffnet. Im Zentrum steht ein begehbarer Kubus. Seine Außenseiten zeigen chronologisch die Geschichte der Hoffbauer-Stiftung seit ihren Anfängen. Im Innenraum sind verschiedene Personen aus den einzelnen Epochen abgebildet. Zum 120-jährigen Bestehen der Stiftung wurde eine weitere Ausstellung am Ufer zwischen Kirche und Hoffbauer-Tagungshaus eröffnet. Gesichter und Geschichten erzählt die Stiftungsgeschichte anhand ausgewählter Persönlichkeiten.
Stiftungszweck
Der heutige Stiftungszweck beruht auf den Gedanken des Ehepaars Hoffbauer. Mit gemeinnützigen Unternehmen im Bildungsbereich und in der Altenarbeit sowie in der Verantwortung für die Kirchengemeinde der Inselkirche verwirklicht die Stiftung die Vorgaben ihrer Gründer Clara und Hermann Hoffbauer, die in der Satzung verankert sind.
Kooperationen/Partner
- Gemeinsam mit der städtischen Ernst von Bergmann gGmbH betreibt die Stiftung die Pflegegesellschaft Ernst von Bergmann Care gGmbH.
- Zusammen mit dem Evangelischen Diskonissenhaus Berlin Teltow Lehnin und der Ernst von Bergmann gGmbH betreibt die Stiftung die Gesundheitsakademie Potsdam gGmbH, die Trägergesellschaft des Gesundheitscampus Potsdam.
- Der Ambulante Hospiz- und Palliativberatungsdienst Potsdam ist eine Einrichtung der Hoffbauer-Stiftung in Kooperation mit dem Malteser Hilfsdienst.
Weitere Bilder
Literatur
- Andreas Kitschke: Kirchen in Potsdam Evangelische Verlagsanstalt Berlin 1983 1. Auflage (keine ISBN)
- Hoffbauer-Stiftung Chronik 1901-1991
- 100 Jahre Hoffbauer-Stiftung Potsdam-Hermannswerder Chronik 1901-2001
Weblinks
- Hoffbauer-Stiftung – offizielle Webseite
- Hoffbauer-Satzung – Satzung der Stiftung seit 2003
- Kleine Heimatkunde – Seite bei Haus Hechler; Stand: 29. August 2010
- Geschichte Inselhotel – offizielle Webseite
- Dauerausstellung – Artikel bei Potsdam Neueste Nachrichten am 05.06.2012 „Hoffbauer-Stiftung: Kaiser-Besuch geschwänzt“ von Guido Berg
- Uferweg – Artikel bei Potsdam Neueste Nachrichten am 12.09.2012 „Uferweg auf Hermannswerder geplant“ von nbsp; Henri Kramer
- Uferweg – Artikel bei Märkische Allgemeine am 13.09.2012 „500 000 Euro für Weg um Hermannswerder - Stadt hat Vorentwurf / Beginn erst 2015“ von bos
- Denkmalliste - Datenbank des Brandenburgisches Landesamtes für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum
Quelle
- Dauerausstellung "Verantwortung für Generationen" auf der Festwiese neben der Inselkirche auf Hermannswerder