Jagdschloß Stern
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Das 1730-32 im Stil eines holländischen Bürgerhauses errichtete Jagdschloß Stern ist noch weitgehend im originalen Zustand erhalten. König Friedrich Wilhelm I., ließ es für sich erbauen, um in der Nähe seiner Potsdamer Residenz Ablenkung bei der Jagd in der Parforceheide und anschließenden geselligen Runden zu suchen. Das Gebäude hat seinen Namen von den sternförmig angelegten Wegen, mit denen das ab 1725/26 südöstlich von Potsdam angelegte Jagdgebiet für die Parforcejagd erschlossen wurde. Die sogenannten Gestelle untergliederten das ursprünglich mit einem Palisadenzaun umgrenzte Gelände und dienten zugleich der leichteren Orientierung bei dieser fürstlichen Jagdart, bei der ein ausgewählter Hirsch von berittenen Jägern mit einer Hundemeute bis zur Erschöpfung gehetzt und schließlich vom Jagdherrn mit einer Blankwaffe, einem so genannten Hirschfänger, erlegt wurde. Heute sind noch acht der ursprünglich 16 Gestelle erhalten und zum Teil im Straßenverlauf des angrenzenden Wohngebiets Am Stern sichtbar. Dessen Name leitet sich ebenfalls von diesem historischen Ort ab.
Der Wegestern
In einem Brief an seinen Jagdfreund Fürst Leopold von Anhalt-Dessau (1676-1747) schrieb Friedrich Wilhelm I. am 2. Januar 1726: "ich muhs Euer Liebden sagen, dass ich zwey thirgarten anlege zur Parforcejacht ein(en) zu Potsdam, den ander(n) zu wusterhausen ... der Potsdammische wierdt extraschön. ich bin alle dage dabey gewehßen auszustecken und habe müßen mit die Edelleutte handellen wegen Ihre heide sonsten es nit recht geworden wehre." In der Folgezeit berichtet Friedrich Wilhelm I. in seiner Korrespondenz mit Leopold von Anhalt-Dessau immer wieder von erfolgreichen Hirschhetzen in dem neuen Potsdamer Jagdgebiet. Da sich der König weiterhin in jedem Jahr von Ende August bis Anfang November in Königs Wusterhausen aufhielt, diente das Potsdamer Revier für Jagdvergnügen in den übrigen Monaten. Allerdings musste zu Anfang der Ausritt in den Parforcegarten vom Potsdamer Stadtschloss aus erfolgen und die Jagdgesellschaft anschließend auch wieder dorthin zurückkehren. Dieser nicht unerhebliche Aufwand war wohl der Anlass für die spätere Entscheidung des sparsamen Königs, den Wegestern noch um ein Gebäudeensemble zu ergänzen. In einem Nachsatz eines Schreibens des Adjutanten Friedrich Wilhelms I., Hauptmann Hans Christoph Friedrich v. Hacke (1699-1754), an den Ober- und Hofjägermeister Georg Christoph Graf v. Schlieben (1676-1748) vom 17. Oktober 1730 heißt es: "Daß alllhier auff dem Stern ein groß Haus soll gebauet werden, wißen Euer Excellence schon." (GStA PK, II. HA Generaldirektorium Abt. 13 Forstdepartement, Generalia, Tit. XXIX, Nr. 2 Bd. 1 Bl. 144v.). Dies ist die erste aktenkundige Erwähnung des Bauvorhabens.
Vermutlich war die Idee zur Ergänzung des Potsdamer Jagdsterns um ein Gebäudeensemble nach einem leider bisher nicht identifizierten Vorbild bei einem zuvor erfolgten Aufenthalt am Hof des ebenso jagdbegeisterten Landgrafen Ernst Ludwig von Hessen-Darmstadt (1667-1739) entstanden. Im Dezember 1730 dankte Friedrich Wilhelm I. dem Landgrafen von Hessen-Darmstadt für ein von ihm übersandtes Modell und teilt ihm mit, dass er in Potsdam ebenfalls ein Jagdhaus danach errichten wolle: „Es hat der von Euer Liebden abgeschickte Modellier das ihm anvertrauete Schreiben nebst dem Model von Dero Jagthause wohl überbracht, und ich finde daßselbe recht artig. Ich werde mich auch selbst ein Jagthauß darnach bauen laßen, und bin Euer Liebden besonders davor obligieret, daß Sie mir die Gefälligkeit haben erzeigen und solches anhero senden wollen“ (GStA PK, I. HA, Rep. 96 B Nr. 1 Bl. 277 v, Nr. 6372). Zugleich wurden Zahlungen von 100 Talern an den Modellier und 20 Talern an den darmstädtischen Knecht, der offenbar das Modell mit überbracht hatte, angewiesen.
Im April 1731 verzeichnen die Kabinettsminüten (Kopien sämtlicher Erlasse und Schreiben Friedrich Wilhelms I.) die Anweisung von Baumaterialien „zu denen beyden Häusern, welche in dem hiesigen Parforce Garthen auf dem Stern gebauet werden sollen und dass der Capitain v. Hake dero Regiments und in deßen Abwesenheit der Lieutenant v. Hoffstedt den Bau derer beyden Häuser in dem hiesigen Parforce Garthen besorgen und die Rechnung darüber führen sollen“. Hauptmann v. Hacke wird hiermit die Vertretung des Bauherrn und Verantwortung für die Bezahlung der Handwerker übertragen. In den Akten finden sich bis Ende 1732 Belege für mehrere Zahlungsanweisungen an v. Hacke „zu dem Holländischen Hause“, „zum Brunnen im Neuen Haus“ „zu dem andern Hause“, „zu das 3te Hause im Stern“ sowie „zum Neuen Stall im Parforce Garten“. Auch wenn zunächst nur von zwei Häusern die Rede war, bestand das Gebäudeensemble aus dem in holländischen Stil erbauten Schloss, zwei gleichartigen Pavillonbauten (von denen heute nur noch das Kastellanhaus erhalten ist) und dem später zu einem Wohnhaus umgebauten Pferdestall. Ein Brunnen im Schloss und am Platz diente der Versorgung mit frischem Wasser.
Besonders interessant ist auch das folgende, in den Kabinettsminüten wie üblich in Anrede und Grußformel abgekürzt dokumentierte Schreiben Friedrich Wilhelms I. an v. Hacke: „Mein Lieber etc, Ich bin zufrieden, daß der Holländer noch vor 150. thlr. allerley Arbeit verfertiget, welches Ihr demselben bekannt zu machen geruhet, Ich bin etc. Wusterhausen, den 23ten Oct. 1731“. Damit ist ein eindeutiger Beleg vorhanden, dass unter der formellen Bauleitung von Pierre de Gayette zumindest ein holländischer Handwerker am Bau des Jagdschlosses mitgewirkt hat. Möglicherweise war hiermit der 1722 aus Holland nach Potsdam gekommene Grenadier und Zimmermeister Cornelius van den Bosch (1679-1741) gemeint, der in den Akten auch im Zusammenhang mit der Quittierung von Bauholzlieferungen erwähnt ist und ebenfalls bei anderen großen Bauvorhaben in Potsdam, darunter dem Bau der Garnisonkirche tätig war. Dies passte auch zu der in der Historischen Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg von Johann Christoph und Bernhard Ludwig Bekmann (1751) wiedergegebenen Überlieferung, wonach der König sein Jagdhaus am Stern von holländischer Bauart von einem Grenadier von dero Leibregiment habe aufrichten lassen. In dieser soweit ersichtlich ersten Beschreibung dieses Ortes wird der von König Friedrich Wilhelm I. in Potsdam angelegte „Thiergarten“ und auch das Gebäudeensemble an dem ursprünglich 16-strahligen Potsdamer Jagdstern erwähnt, „welches dem Ort ein sehr schönes Ansehen macht, und der der Grosse Stern genennet wird“.
Der Wegestern war ursprünglich ein einfacher Waldplatz, an dem die Gestelle zusammentrafen. Die heutige Gestaltung des Platzes mit gepflastertem Grund, umlaufenden Hecken und Sitzbänken erfolgte erst im Jahr 2007. Eine bronzene Tafel auf der Platzmitte zeigt die überlieferten Namen der Gestelle. Im August 2015 wurde der Jagdstern von der Arbeitsgemeinschaft "Städte mit historischen Stadtkernen des Landes Brandenburg" als "Denkmal des Monats" ausgezeichnet. Mit der Aktion werden jedes Jahr 12 Denkmale in verschiedenen Orten ausgezeichnet, die die kulturelle Tradition der Orte hervorheben, beispielhaft saniert wurden und Menschen zusammenführen.
Das Jagdschloß
Das Jagdschloß Stern gehört heute zur Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) und kann an den im Jahresprogramm des Fördervereins Jagdschloss Stern-Parforceheide e.V. (www.jagdschloss-stern.de) ausgewiesenen Tagen besichtigt werden.
Den größten Raum des Schlosses nimmt ein holzgetäfelter und mit hohen Schiebefenstern lichtdurchfluteter Speisesaal ein. Er ist dekoriert mit Abwurfstangen des „Großen Hans“, einem kapitalen Hirsch aus dem königlichen Parforcegarten, sowie Gemälden, die den Hausherrn bei der Jagd zeigen. Eine geflieste holländische Küche und eine ebenfalls nach holländischem Vorbild gestaltete Schlafkammer vervollständigen den typisch niederländischen Stil des Gebäudes. Im hinteren Teil des Obergeschosses befand sich eine Dienerwohnung, die über eine verdeckte Treppe in der Schlafkammer des Königs zugänglich war. Das holländische Haus am Stern war damit wohl auch eine Art Musterhaus für das wenig später begonnene holländische Viertel in Potsdam. Das Jagdschloß Stern ist das einzige Schloßgebäude, welches sich Friedrich Wilhelm I. errichten ließ.
Mit dem Tod des Soldatenkönigs im Jahr 1740 endete zunächst die jagdliche Nutzung des Ensembles. Der Kastellan erhielt zur Sicherung seines Auskommens die Erlaubnis zum Kaffee- und Bierausschank und verwandelte den Ort in ein beliebtes Ausflugsziel außerhalb von Potsdam.
Erst unter dem jagdbegeisterten Prinz Carl von Preußen (1801-1883) wurden im Waldgebiet am Stern wieder regelmäßig Parforcejagden veranstaltet. Ein seltenes Fotodokument aus dem Jahr 1894 zeigt die Teilnehmer einer königlichen Jagdgesellschaft mit der Hundemeute vor dem Jagdschloß Stern.
Nach dem Ende der Monarchie verfiel das Jagdschloß Stern wieder in einen Dornröschenschlaf, aus dem es im Sommer 1945 unsanft geweckt wurde, als während der Potsdamer Konferenz eine britische Militäreinheit dort Quartier nahm. In den 1950er und 1960er Jahren wurde das Gebäude dann für Ferienspiele von Kindern genutzt. Zeitzeugen berichten über ihre Erlebnisse mit Kinderspeisung und Mittagsschlaf unter den Hirschgeweihen im Saal des Schlosses. Während die HO-Gaststätte im Kastellanhaus mit ihrem Biergarten ein beliebtes Ziel für Ausflüge und Feiern aller Art blieb, wurde das Jagdschloss in den 1970er Jahren durch Vandalismus erheblich beschädigt und diente zeitweise auch als Depot für den Bau der Straßenbahn in das angrenzende Neubauviertel.
Zu Beginn der 1980er Jahre entschloss sich die damalige staatliche Schlösserverwaltung zu einer umfassenden Restaurierung des Gebäudes und einer Ausstattung als Museum für Friedrich Wilhelm I., das im Juni 1987 eröffnet wurde und an den Wochenenden mit Führung besichtigt werden konnte. Mit der Schließung der Gaststätte im Kastellanhaus Anfang der 1990er Jahre gingen die Besucherzahlen im Jagdschloß Stern so weit zurück, dass der museale Betrieb eingestellt wurde.
Um das verwaiste Jagdschloß Stern wieder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, gründete sich im Jahr 2003 ein Förderverein, der seither in Kooperation mit der SPSG das Schloss für Besucher öffnet und diesen besonderen Ort mit kulturellen Veranstaltungen belebt. Spätestens bis 2030 soll dann auch das Kastellanhaus saniert werden und mit einem Biergartenbetrieb nach historischem Vorbild wieder einen gastronomischen Anziehungspunkt im Stadtteil „Am Stern" bilden.
Das Kastellanhaus
Rechts neben dem Jagdschloß befindet sich das ehemalige Kastellanhaus, das als Wohnhaus des Kastellans und zur Unterbringung der Jagdgesellschaft diente. Bereits im 18. Jahrhundert befand sich in diesem Gebäude eine beliebte Ausflugsgaststätte, die seit Anfang der 1990er Jahre geschlossen ist. Das Kastellanhaus gilt als die älteste Schankwirtschaft Potsdams.
Der königliche Pavillon
Links neben dem Jagdschloß, an Stelle des heutigen Parkplatzes vor dem ehemaligen Pferdestall (heute Wohnhaus), befand sich ein weiteres Gebäude in den Maßen des Kastellanhauses, das nach einer zeitgenössischen Beschreibung dem König als Unterkunft diente und zugleich der Anlage die für die Barockzeit typische Symmetrie vermittelte. Das Gebäude wurde bereits 1767 in der Regierungszeit von Friedrich II. wegen Baufälligkeit abgerissen.
Quellen
- Förderverein Jagdschloss Stern-Parforceheide – offizielle Webseite
- Jagdschloss Stern – Artikel bei der Wikipedia
- Die Briefe König Friedrich Wilhelms I. an den Fürsten Leopold zu Anhalt-Dessau 1704-1740, bearb. von O. Krauske, Verlag: Paul Parey, Berlin 1905
- Historische Beschreibung der Chur und Mark Brandenburg von Johann Christoph und Bernkard Ludwig Bekmann, 1751
- Norbert Blumert, Jagdschloss Stern (in: Jahrbuch für Brandenburgische Landesgeschichte Bd. 66 (2015), S. 143)
- „Potsdam und Umgebung“ – Autor: Christiane Theiselmann; Verlag: DuMont, Köln; 2. Auflage, 1996; ISBN 3770131290 (ISBN-10); ISBN 9783770131297 (ISBN-13