Präsidialgebäude vom Deutschen Roten Kreuz
Das ehemalige Präsidialgebäude vom Deutschen Roten Kreuz befindet sich im Potsdamer Stadtteil Babelsberg, in der August-Bebel-Straße 89, südlich vom S-Bahnhof Griebnitzsee. Zudem ist es das Haus 1 auf dem Gelände der Universität Potsdam, im Komplex III am Griebnitzsee.
Hier haben seit dem Jahr 1991 die Juristische sowie die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät ihren Hauptsitz. In der Geschichte dieses Geländes, das vor allem durch seine anfängliche Nutzung durch das Deutsche Rote Kreuz geprägt wurde, dokumentiert sich anschaulich die wechselvolle deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts.
Zentraldepot und Hauptlager
Im Jahr 1896 hatte das Zentralkomitee des Preußischen Landesvereins vom Roten Kreuz den Beschluss gefasst, nahe der noch jungen Villenkolonie Neubabelsberg ein Depot zur Unterbringung von mobilen Lazarettbaracken zu errichten. In den folgenden Jahren wurden die ersten Lagerhallen durch weitere Bauten ergänzt. Als das Gelände im Jahre 1923 vom Gutsbezirk Potsdamer Forst nach Neubabelsberg eingemeindet wurde, bestand das Zentraldepot vom Roten Kreuz aus zwei Wohn- und Verwaltungsgebäuden, fünf Lagerschuppen, einer Werkstatt, einem Desinfektions- und einem Stallgebäude. Diese Bauten sind teilweise heute noch erhalten und werden von einigen Professuren der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam als Bürogebäude und von der Universitätsbibliothek genutzt.
Eine wesentliche Erweiterung erfuhr das Gelände im Jahre 1938 im Zusammenhang mit der anlaufenden Mobilmachung des Deutschen Roten Kreuzes für seinen bevorstehenden Einsatz im Zweiten Weltkrieg. Die alten Baracken des nun zum „DRK-Hauptlager“ umbenannten Zentraldepots wurden teilweise aufgestockt.
Das DRK im „Dritten Reich“
Zu diesem Zeitpunkt war die einst unabhängige Hilfsorganisation bereits fest an den „Führer“ gebunden und im nationalsozialistischen Staat verankert.
Ende des Jahres 1936 benötigte Hitler an der Spitze des Deutschen Roten Kreuzes eine junge und durchsetzungsfähige Führungspersönlichkeit, die das DRK fester als bisher an die „Führergewalt“ binden und zugleich organisatorisch und ideologisch auf einen Angriffskrieg vorbereiten sollte. Diese Voraussetzungen erfüllte der SS-Führer Dr. Ernst-Robert Grawitz, der die Funktion des stellvertretenden und ab 1938 die des Geschäftsführenden Präsidenten des DRK übernahm. Grawitz war gleichzeitig „Reichsarzt-SS“ und in dieser Funktion verantwortlich für alle medizinischen und sanitätstechnischen Belange der Schutzstaffel (SS), zu denen auch die Konzentrationslager gehörten. Seit Anfang der 40er Jahre trug er mit die Hauptverantwortung für die brutalen medizinischen Versuche der SS-Ärzte an KZ-Häftlingen. An diesen Versuchen waren im Rahmen ihrer SS-Mitgliedschaft auch DRK-Ärzte beteiligt.
Unter Grawitz' Führung wurden 1937 ein neues DRK-Gesetz und eine neue Satzung verabschiedet, auf deren Grundlage die Hilfsorganisation endgültig in den NS-Staat eingebunden werden konnte. Es wurde eine zentrale Einheit „Deutsches Rotes Kreuz“ gebildet. An der Spitze des DRK stand jetzt das Präsidium, in dessen maßgebliche Schlüsselpositionen weitere SS-Führer berufen wurden.
Auf dem Gelände befanden sich während des Zweiten Weltkrieges ein Außenlager des Konzentrationslagers Sachsenhausen, ein Zwangsarbeiterlager und ein Lager für Kriegsgefangene.
Planungen zum Präsidialgebäude
Die Neustrukturierung der Hilfsorganisation führte unmittelbar auch zu baulichen Veränderungen auf dem DRK-Gelände in Neubabelsberg. Neben dem bereits erwähnten Ausbau und der Erweiterung des Hauptlagers wurde gleichzeitig mit der Planung für den Bau eines neuen Präsidialgebäudes begonnen. Im Zusammenhang mit der Zentralisierung des DRK erwies sich das vorhandene Präsidialgebäude in Berlin für die neu anfallende Verwaltungsarbeit als zu klein, so dass schon im Januar 1938 ein Neubau in Aussicht genommen wurde. Nicht unbescheiden hatte man sich zunächst einen Platz an einer der großen, von Albert Speer geplanten Repräsentationsstraßen in Berlin, der Ost-West- oder der Nord-Süd-Achse, gewünscht. Im Februar 1938 fiel jedoch die Entscheidung, das DRK-Präsidium nach Neubabelsberg zu verlegen. Die Gründe hierfür lagen in der zu diesem Zeitpunkt bereits anlaufenden Mobilmachung des DRK. Der Neubau sollte „in unmittelbarer Verbindung mit dem Hauptlager entstehen, um so für einen Kriegsfall durch Zentralisierung der obersten Dienststellen arbeitsmäßig gerüstet zu sein“, wie es in einer internen Denkschrift hieß.
Der Neubau des Präsidialgebäudes verzögerte sich erheblich, als im Juni 1938 für die nähere räumliche Umgebung des Bahnhofes Babelsberg-Ufastadt (heute Bahnhof Griebnitzsee) die Planungen zu einer „Filmstadt“ begannen. Ausgehend von dem dortigen Sitz der Filmindustrie initiierte die 1938 aus Nowawes und Neubabelsberg entstandene Stadtgemeinde Babelsberg hier am Rande der „Reichshauptstadt“ Berlin die Errichtung eines äußerst repräsentativen, neuen Kulturzentrums, eines „deutschen Hollywoods“, in das der DRK-Neubau integriert werden sollte. Das Projekt der „Filmstadt“ ist, wie die meisten städtebaulichen Neu- und Umgestaltungsvorhaben der Nationalsozialisten, durch den Kriegsverlauf nicht mehr über das Planungsstadium hinausgekommen. Nur das Präsidialgebäude des DRK, das heutige Hauptgebäude des Babelsberger Universitätsgeländes, kam als einziges Gebäude zur Ausführung, weil es sich hier um die Dienststelle einer als „kriegswichtig“ eingestuften Organisation handelte. Die „Filmstadt“-Planungen haben die Lage und Gestaltung des DRK-Neubaues maßgeblich beeinflusst und sind die Erklärung dafür, warum der Bau - damals wie heute - so wenig städtebaulich, architektonisch und funktional mit seiner Umgebung in Verbindung steht.
Nachdem Ende 1938 der Lageplan für das künftige Babelsberger Stadt- und Kulturzentrum festgelegt worden war, konnten die ersten Arbeiten für das DRK-Präsidialgebäude beginnen, und bereits im Januar 1939 wurde der Grundstein gelegt. Genau vier Jahre später, im Januar 1943, war der Bau so weit fertiggestellt, dass die Arbeitsräume bezogen werden konnten.
Mit den Planungs- und Ausführungsarbeiten hatte man den Architekten und SS-Führer Norbert Demmel beauftragt. Er entwarf den Bau als eine dreiflügelige Anlage in Form einer römischen Eins, die sich über eine Länge von 196 Metern erstreckt. Den Hauptbau bildet ein dreigeschossiger, 136 Meter langer Mitteltrakt, an den zu beiden Seiten zwei schmalere, zweigeschossige Trakte als Verbindung zu den Seitenflügeln anschließen. Die Seitenflügel liegen quer zur Hauptachse und treten an der Vorderfront um etwa 24 Meter aus der Flucht hervor, wodurch sich eine ehrenhofartige Anlage ergibt.
Nationalsozialistische Architektur
Zur Akzentuierung der Mitte hatte Demmel ursprünglich vor die mittleren drei Achsen einen Pfeilerportikus mit aufgesetztem Rot-Kreuz-Emblem vorgesehen. Die Fassadengestaltung an der Vorderfront wurde jedoch von dem Architekten Emil Fahrenkamp, dem Gewinner des „Filmstadt“-Wettbewerbes, abgeändert, der als Beauftragter Albert Speers über die Neubauten in allen ästhetischen Fragen wachte. An Stelle des Pfeilerportikus’ setzte er dem Gebäude einen massiven Portalvorbau mit dem obligatorischen „Führerbalkon“ vor. In der Gestaltung dieses Gebäudeteiles mit den rahmenden, leicht vorgezogenen Eckpfeilern orientierte sich Fahrenkamp ganz offensichtlich an dem Eingangsbau der 1934 von Speer erbauten Tribünenanlage des Zeppelinfeldes auf dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg. Der Vorbau ist heute leicht verändert. Eine Zutat neuerer Zeit ist das Metallgitter, das zur Begrenzung des Balkons dient. Ursprünglich war hier eine gemauerte, mit Werkstein verkleidete Brüstung vorhanden, wie sie sich noch an den Balkonen an der Rückfront des Gebäudes erhalten hat. Außerdem trug die heute glatte Werksteinplatte über der mittleren Fenstertür ursprünglich das Rot-Kreuz-Emblem, wie es in der Satzung von 1937 neu festgelegt worden war: ein Kreuz mit gleich langen Armen, das „von den Fängen eines Adlers mit geschlossenen Flügeln und nach rechts gewendetem Kopf gehalten (wird), der auf der Brust ein Hakenkreuz trägt“ (§ 20, Abs. 1 der Satzung des DRK v. 24.12.1937).
Für die Gestaltung des neuen DRK-Baues hatte der Geschäftsführende Präsident der Organisation, Grawitz, den Anspruch formuliert, dass das Gebäude „der großen stolzen Tradition des Deutschen Roten Kreuzes sichtbaren Ausdruck“ verleihen und zugleich „den Willen des neuen Deutschen Roten Kreuzes im Deutschland Adolf Hitlers“ (Das Deutsche Rote Kreuz, Jg.3, 1939, S. 113) versinnbildlichen sollte. Aus diesem Anspruch heraus war für die Hilfsorganisation ein in seiner Form und Gestaltung äußerst zeitspezifisches Verwaltungsgebäude entworfen worden, das hohen repräsentativen Anspruch erhebt.
Unabhängig von der Stellung der jeweiligen Institution innerhalb des Staatsgefüges hatten alle öffentlichen Gebäude im Nationalsozialismus die „Autorität“ des nationalsozialistischen Staates zu verkörpern. Im DRK-Gebäude wurde dieser Forderung Genüge getan mit einem monumentalen Äußeren und mit großzügig angelegten Repräsentationsflächen im Inneren, wie die Vorhalle, die Ehrenhalle und eine „Festhalle“ in der Mittelpartie des Hauptbaues. Der hohe materielle und gestalterische Aufwand für alle Bereiche, die der Führungsebene oder einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gewesen sind, zeigt, dass dem DRK trotz Kriegszeiten keine Möglichkeiten zur Beschaffung kostbarer Materialien fehlten und Einsparungen hinsichtlich der Ausstattung offensichtlich nicht als notwendig angesehen wurden. Die für die NS-Architektur allgemein charakteristische Verwendung von Werkstein, Marmor und Travertin hatte hierbei auch ideologische Gründe. Mit Naturstein verband sich die Vorstellung von Dauerhaftigkeit, die zugleich Sinnbild für die Dauer sein sollte, auf die das nationalsozialistische Herrschaftssystem angelegt war. Charakteristisch für den Bau ist auch die im Äußeren wie im Inneren angelegte Steigerung zur Mitte, in der sich die hierarchische Organisationsstruktur, die zu diesem Zeitpunkt das DRK wie den NS-Staat überhaupt beherrschte, widerspiegelt.
Räumung nach Kriegsende
Mit dem Beginn des Jahres 1944 wirkte sich der Luftkrieg über Deutschland auch auf die Babelsberger Dienststellen des DRK aus, die bis dahin weitgehend verschont geblieben waren. Am 9. März fiel bei einem Bombenangriff der alliierten Luftstreitkräfte ein Sprengkörper auf das Gelände des DRK-Hauptlagers. Die erst einige Jahre vorher neugebaute Kraftfahrzeughalle für das mobile DRK-Bereitschaftslazarett brannte fast restlos nieder. Nicht zuletzt deswegen wurde im selben Jahr ein geräumiger Luftschutzbunker für das DRK gebaut, der auch nach 1945 noch genutzt und erst vor einigen Jahren abgerissen wurde.
Die im April des Jahres 1945 näher rückende Rote Armee versetzte die Babelsberger DRK-Spitze in Aufregung und Panik. Zyankalikapseln wurden unter den Mitarbeitern verteilt; Ernst-Robert Grawitz, der in Babelsberg wohnte, wählte für sich und seine Familie den Freitod. Andere SS-Führer setzten sich mit einem Wagentross Richtung Flensburg ab.