Warenhaus M. Hirsch
Das ehemalige Warenhaus M. Hirsch befand sich in der Brandenburger Straße 30-31 und Jägerstraße 25, gegründet von der jüdischen Bekleidungskauffrau Magda Hirsch (geb. Schwarz), das Kaufhaus trägt ihren Namen.
Geschichte von 1880 - 1938
Ursprünglich befand sich das Warenhaus nur in dem Gebäude Brandenburger Straße 30. Um 1905 kamen die Grundstücke Brandenburger Straße 31 und Jägerstraße 25 dazu. Seine erste Inhaberin war laut Handelsregister des königlichen Amtsgerichts Potsdam Magda Hirsch (geb. Schwarz), die das Geschäft seit dem 22. Juni 1880 leitete. 1887 übertrug sie das Warenhaus auf ihren Sohn Isidor Hirsch und der Potsdamer Kaufmann Willy Wolff wurde Gesellschafter. 1895 übernahm Wolff das Haus als Alleineigentümer. Einer Bekanntmachung des Amtsgerichts vom 21. September 1897 zufolge wurde der aus Insterburg/Ostpreußen stammende Kaufmann Julius Rubinski Prokurist, also Vertreter und Bevollmächtigter des Geschäftsführers Wolff. Alle Genannten gehörten der Jüdischen Gemeinde Potsdam an.
Vier Jahre später (August 1901) wurde die Gesellschaft in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt. Die aus Hamburg stammende Offene Handelsgesellschaft M. J. Emden Söhne kaufte Wolff das Warenhaus ab und investierte eine Summe von 200.000 Mark (heutige Kaufkraft von rund 1,3 Mio. Euro) als Kommanditist und Julius Rubinski wurde persönlich haftender Gesellschafter (Komplementär) und Geschäftsführer (Eintragung im Handels-/Firmenregister zu Nummer 1139). Im Januar 1908 reduzierte die M. J. Emden Söhne ihre Einlage auf 5.000 Mark, kaufte aber die Grundstücke und Gebäude Brandenburger Straße 30+31 und Jägerstraße 25. Das Warenhaus zahlte für die Nutzung Miete oder Pacht. Zusammen mit dem Warenhaus Schwarz/Lindemann wurde 1910 eine Interessengemeinschaft zum gemeinsamen Einkauf beim Hamburger Engros-Lager der Firma Emden und Söhne gegründet. Im Oktober 1916 wurde die Kommanditgesellschaft aufgelöst und M. J. Emden Söhne schied als Gesellschafter aus, behielt aber die Grundstücke und Gebäude Brandenburger Straße 30+31 und Jägerstraße 25. Die Firma wurde als Offene Handelsgesellschaft weitergeführt, und Julius Rubinski war alleiniger Eigentümer.
Nur einen Monat später, am 12. November 1916, starb Julius Rubinski - Eigentümer des Landhaus Rubinski in der Seestraße 45 Potsdam - und wurde am 15. November auf dem Jüdischen Friedhof beigesetzt (Grabstelle 488 (52). Seine Frau Paula erbte gemäß dem Testament als Treuhänderin für die gemeinsamen Kinder Alfred und Ilse, die noch minderjährig waren, die Firma. Ob Frau Rubinski (ab November 1918 mit dem Urologen Sanitätsrat Dr. med. Alfred Rothschild verheiratet) auch die Geschäftsführung übernahm, ist nicht bekannt. Bekannt ist aber, dass es einen Leitenden Direktor Glaser gab.
Geschichte ab 1938
Am 15. November 1938 erfolgte die "Arisierung" des Warenhauses. Die Eigentümer (siehe Anmerkungen) wurden gezwungen, es an das NSDAP-Mitglied Alois Mainka weit unter Wert zu verkaufen. Der führte es unter seinem eigenen Namen fort. Nach Mai 1945 wurde Mainka enteignet und in dem Gebäude zunächst ein Kaufhaus für sowjetische Offiziere eingerichtet. Später wurde es als Möbelkaufhaus "Einrichtungshaus" der staatlichen Handelsorganisation (HO) betrieben. Das Möbelkaufhaus wurde nach 1990 zunächst von der Möbelkette "Manos" betrieben. Später erfolgte die Sanierung des Gebäudes unter Erhalt der Fassade. Heute befinden sich in dem Gebäude ein Kaisers-Markt, eine Intersport-Filiale sowie ein Dachgeschoss-Restaurant mit großer Terrasse.
Umbau und Ausgestaltung von 1903 bis 1938
(siehe auch unter Anmerkungen)
Unter Einbeziehung der Nachbargrundstücke Brandenburger Straße 31 und Jägerstraße 25 wurden die Innenräume vollkommen neu gestaltet. Das Warenhaus war nun nicht nur über alle drei Grundstücke, sondern ebenfalls über drei Etagen angelegt, verbunden durch einen um 1930 eingebauten Fahrstuhl. Filigrane Gußstützen und Balustraden sowie ein durch alle Ebenen gehender Lichthof bestimmten die Innengestaltung des Hauses. Auch die Fassaden wurden umgestaltet. Die Anlage der Gründerzeitfassade zur Brandenburger Straße ließ nun den Eindruck eines zusammenhängenden Gebäudes entstehen. Die im Jugendstil gestaltete und architektonisch gelungene Portalfassade zur Jägerstraße rief besonders in den dreißiger Jahren immer wieder die Missbilligung der städtischen Baubehörden hervor, da sie sich nach deren Auffassung zu deutlich vom Stil der ursprünglich schlichten Straßengestaltung abhob. Nach den Umbauarbeiten, die im Jahr 1910 abgeschlossen waren, befand sich das Hauptportal des Warenhauses in der Jägerstraße. Sicher war diese Lösung auch dem zunehmenden Verkehr auf der Brandenburger Straße geschuldet.
Mit der Eröffnung und der Erweiterung des Warenhauses M. Hirsch entwickelte sich die Brandenburger Straße schließlich zur wichtigsten Einkaufsstraße Potsdams.
Der Umbau ließ eine großräumigere Gestaltung der Abteilungen und die Erweiterung des Angebotes zu. Die Anordnung der Abteilungen blieb viele Jahre erhalten. Die als Zeitzeugin befragte Frau Lehmann berichtete von der Aufteilung des Warenhauses im Erdgeschoß der dreißiger Jahre: Gleich in der Nähe des Eingangs konnte man Papierwaren (Karten, Bilder, Bücher) und Kurzwaren (Knöpfe, Stopftwist, Nähgarn) kaufen. Hinter der Papierabteilung befand sich die Wäscheabteilung mit Damenunterwäsche, dicken und angerauten Trikotröcken sowie langer Unterwäsche. Hier war auch Bettwäsche erhältlich, die allerdings als Meterware verkauft wurde und zu Hause fertig genäht werden musste. lm Erdgeschoß gab es die Herrenkonfektion - Hüte, Schlipse, Hemden. ln dieser Etage konnte man auch Seifen, Parfüms und Hautcremes kaufen. An der Seite befand sich die Stoffabteilung. Wunderbare Damen- und Herrenstoffe wurden hier als Meterware angeboten. Eine sehr kleine Süßwarenabteilung befand sich dicht am Fahrstuhl. Hinzu kam Anfang der dreißiger Jahre eine Kaffeestube, an die sich Frau Lehmann noch gut erinnern konnte. Sie soll für damalige Verhältnisse sehr einfach und recht klein gewesen sein. Dennoch erfreute sie sich einer großen Beliebtheit bei den Potsdamer Kindern, erinnerte sich Frau Lehmann. Die zweite Etage war besonders für Kleider, Decken, Gardinen und Teppiche angelegt. In der dritten und obersten befanden sich hauptsächlich Ausstattungen für Küchen und Esszimmer sowie Luxusartikel.
Eigentumsverhältnisse von 1901 bis 1945
Handelshaus M. J. Emden Söhne
Max James Emden (* 28. Oktober 1874 in Hamburg; † 26. Juni 1940 in Muralto, Kanton Tessin, Schweiz) war ab 1904 Teilhaber und einige Jahre später Alleininhaber der Textilhandelsgesellschaft, die schon 1823 in Hamburg gegründet wurde. Um 1900 begann er, sich durch Kreditvergabe oder Übernahme von Geschäftsanteilen an selbständigen Händlern zu beteiligen und die Buchhaltung, Organisation und Werbung zu übernehmen. Um die Händler finanziell zu entlasten, kauften sie auch deren Grundstücke. Im Gegenzug verpflichteten sich die Händler, alle Waren nur noch über die von Emden gegründete „Hamburger Engros-Lager“ zu kaufen (heute sprechen wir von einem Franchisesystem). Dazu gab es zwei Mal im Jahr große Messen am Rödingsmarkt in Hamburg, auf denen die Händler die Waren begutachten und bestellen konnten. Der Warentransport und die Abrechnungen wurden von Emden organisiert.
In Städten, wo es noch keine entsprechenden Händler gab, wurden Grundstücke und Gebäude gekauft, entsprechend ausgestattet und ein Geschäftsführer eingestellt. Der Name Emden tauchte in der Firmenbezeichnung aber nie auf. Auf diese Weise unterhielt Emden in Deutschland und im Ausland über 200 Warenhäuser, die ab 1926 fast vollständig verkauft wurden (mit Ausnahme der ausländischen Geschäfte). 19 Geschäfte gingen an die Rudolph Karstadt AG. In vielen Fällen behielt Emden aber die Grundstücke. So auch beim Warenhaus M. Hirsch, das am 17. November 1938 arisiert wurde und die Gebäude in das Eigentum der A. Maika KG übergingen.
Anmerkungen
Einen Hinweis fand ich (FGPSteinfest) über das "wirtschaftliche" Eigentum: Demnach war die Rudolph Karstadt AG quasi Eigentümer, weil sich Paula Rothschild bei ihr verschuldet und als Sicherheit das Warenhaus verpfändet hatte. Nach der Wiedervereinigung machte eine Sophie Lindemann Ansprüche am Warenhaus geltend. Sie gab an, dass sie im Oktober 1933 von der Rudolph Karstadt AG Ansprüche an dem Warenhaus M. Hirsch aus Forderungen gegenüber Paula Rothschild übertragen bekommen hatte. Was daraus geworden ist, ist mir derzeit nicht bekannt. Auch in den Akten des Brandenburgischen Landeshauptarchivs (BLHA), die ich im Oktober 2022 eingesehen hatte, habe ich nichts finden können.
Quellen
- Sanierungsträger Potsdam, Die Sanierung der Zweiten Barocken Stadterweiterung in den Jahren 1990 bis 2017, Ausgabe 2020, S. 114-115. https://www.propotsdam.de/fileadmin/user_upload/PDM-2BSTE_Bericht-2020_100dpi.pdf
- Leo v. Lobenstein, Johann Schramm: Kaufhaus Magda Hirsch. Geschichtsorte Potsdam
- „Die kleine Geschichte des Warenhauses Hirsch“ - Schülerinnen und Schüler erforschen jüdisches Leben in Potsdam: J. Baumhauer, E. Mann, C. Hönnicke u. a. aus der Voltaire-Gesamtschule Potsdam unter der Leitung der Lehrerin Karin Hilbert. 2000 - Herausgeber Heinrich-Böll-Stiftung Brandenburg. Das Buch ist vergriffen, kann aber in der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam (Bildungszentrum) unter der Signatur "Brandenburgica B 910 Hirsch Familie" angesehen/ausgeliehen werden
- Robert Leichsenring: Die Geschichte des Kaufhauses Brandenburger Straße 49-52
- "Max Emden Hamburger Kaufmann, Kaufhauserfinder, Ästhet und Mäzen" von Ulrich Brömmling , 1. Auflage 2020 (ISBN print: 978-3-8353-3751-0)
- deutsche-digitale-bibliothek - M. J. Emden Söhne, Hamburg – 1823 – 1906: Universitätsbibliothek Hamburg
- Hamburger Abendblatt - „Der vergessene Hamburger Kaufhauskoenig“, Artikel von Jens Meyer-Odewald vom 18.08.2014
- Kontext: Wochenzeitung - „Der Fall Max Emden“, Artikel von Ber Serger vom 19.06.2019
- Brandenburgisches Landeshauptarchiv (BLHA): 2A I HG 3384/1; Antrag der Firma A. Mainka KG auf Genehmigung des Erwerbs des Grundstücks Potsdam, Brandenburger Str. 30/31, Jägerstr. 25; 1939-1944 (Akte)