Lehnschulzenhaus

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Das Lehnschulzenhaus, auch Lehnschulzengericht genannt, befindet sich im Potsdamer Stadtteil Babelsberg, Neuendorfer Anger 13. Es ist das größte Haus des ehemaligen Rundangerdorfes Neuendorf. Der Gebäudekern aus Fachwerk stammt aus dem Jahr 1684. Damit ist das Lehnschulzenhaus älter als der Marstall (1685) in der historischen Innenstadt. Das Lehnschulzenhaus wurde auf einer Fläche von 11 x 26,5 Metern als zweigeschossiger Bau aus Fachwerk mit Walmdach auf einem Fundament aus Feldsteinen errichtet. Es gab einen Vorratskeller, der als Tonnengewölbe ausgemauert war und zur Bevorratung von Fässern mit Pökelfleisch, Bier und Branntwein diente. Erhalten ist auch noch der 1870 mit einer massiven Mauer verkleidete Fachwerk-Südgiebel. Der Nordgiebel wurde um 1850 abgetragen und ersetzt. Die Außenmauern bestanden aus ausgemauertem Fachwerk. Im Hausinneren ist das Fachwerk mit einer Lehm-Strohhäckselmischung ausgefüllt.

Das Haus des Lehnschulzen war etwa doppelt so breit wie die ebenfalls zweigeschossigen Bauernhäuser am Neuendorfer Anger. Links von der damals noch in der Hausmitte gelegenen Eingangstür befand sich mit vier Fenstern zur Straßenseite ein großer Versammlungsraum, das eigentliche Lehnschulzengericht. Lehnschulzen übten damals als Beamte im Auftrag ihres Dienstherren eine "niedere" Gerichtsbarkeit aus. Sie konnten bei Streitigkeiten und Straftaten Recht sprechen, sofern der Urteilsspruch am gleichen Tag erfolgte. Die Lehnschulzen wurden vom Markgrafen auf Lebenszeit ernannt, bekamen ein landwirtschaftliches Gut übertragen, mussten bei den Bauern Steuern eintreiben und abführen. Als erster Lehnschulze von Neuendorf wurde 1601 ein gewisser "Trostbacher" aktenkundig.

Mit den Stein-Hardenbergschen Reformen verlor der Lehnschulze die Gerichtsbarkeit. In der Folge wechselten die Eigentümer häufig. Im Lauf der Geschichte sind drei Brände auf dem Grundstück des Lehnschulzenhauses dokumentiert. Bei einem Brand im Jahr 1866 soll der Eigentümer "Vobach" das Feuer selbst gelegt haben, um Geld von der Versicherung zu kassieren. Noch bis zum Jahr 1894, als die Gemeinde Neuendorf in der heutigen Rudolf-Breitscheid-Straße 21 ein neues Rathaus errichtete, befand sich im Lehnschulzenhaus der Amtssitz des Bürgermeisters.

Es gab umfangreiche Umbauten, insbesondere durch den Baumeister Hugo Menze, der das Lehnschulzenhaus zu Beginn des 20. Jahrhunderts erwarb. Er erweiterte das Haus und baute es nach dem Zeitgeschmack im Jugendstil repräsentativ um. Dazu gehörte vor 1911 der Anbau mit giebelsichtigem Spitzdach an der Nordseite und nach 1912 der Einbau des Treppenhauses mit Erkertürmchen auf der Straßenseite. Auf der Hofseite bekam der Bau einen Rundturm und einen Wintergarten aus Holz.

Ab 1944 wurden bei den Eigentümern (zwei ältere Damen) Flüchtlinge einquartiert. Die Bausubstanz zerfiel. Die große, durch einen Bombentreffer zerstörte Scheune wurde nicht wieder aufgebaut. 1975 erfolgte die Übernahme des Gebäudes durch den VEB Verbundnetz Gas. Mit hohem Aufwand wurde die zum Teil noch vorhandene Jugendstil-Ausstattung saniert. Der Hof musste entrümpelt werden und das Straßenpflaster von einer 30 Zentimeter dicken Erdschicht mit Unkraut befreit werden. Schließlich musste der Kammerjäger das ganze Haus begasten, weil sich unter den Dielen Flöhe eingenistet hatten. Die Fachwerkscheune auf dem Hof wurde abgebrochen.

Durch die Wittfoth Bau GmbH erfolgte nach der Jahrtausendwende die erneute Sanierung des Lehnschulzenhauses und die Hofbebauung mit Eigentumswohnungen. Dabei wurde der Umbau Anfang 20. Jahrhundert als Grundlage genommen.


Quellen

  • Broschüre Sanierungsträger Babelsberg: „Historischer Stadtrundgang Potsdam-Babelsberg“ S. 13
  • Kurt Weiden: Chronik - Die Geschichte des Amtsdorfes Neuendorf
  • Wittfoth-bau.de
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