Orenstein & Koppel
Orenstein & Koppel (kurz „O&K“) war der Name eines Lokomotivbau-Unternehmens, welches seinen Sitz am Bahnhof Drewitz im damaligen Neuendorf (heute dem Potsdamer Stadtteil Babelsberg zugehörig) hatte. Es wurde einst von folgenden Straßen umfaßt: Großbeerenstraße, Wetzlarer Straße, Orenstein-und-Koppel-Straße, Ahornstraße. Dabei war das Werk nur Teil des Großkonzerns „Orenstein & Koppel“, welches am 1. April 1876 gegründet wurde und zahlreiche Betriebe in Deutschland hatte. Der Mutterkonzern existiert noch heute.
Das Unternehmen hatte bis zum Jahr 1976 deutsche Lokomotivbau-Geschichte geschrieben. Danach wechselte der DDR-Betrieb VEB Lokomotivbau „Karl Marx“ (Karl-Marx-Werk) sein Produktionsprofil und baute zunächst Kälteanlagen und anschließend Autodrehkrane. Als Maschinenbau „Karl Marx“ Babelsberg wurde das entwicklungsfähige Unternehmen (es gab ernstzunehmende Angebote) stillgelegt. Heute befindet sich auf dem ehemaligen Werksgelände ein Gewerbepark.
Geschichte
Anfänge
Im Jahr 1876 schlossen sich die Unternehmer Arthur Koppel und Benno Orenstein zusammen, um Feld-, Klein- und Nebenbahnen zu produzieren, die in verschiedenen Wirtschaftsbereichen eingesetzt werden sollten. Ihre Märkische Lokomotiv Fabrik mit Produktionsorten in Schlachtensee und Tempelhof wurde bald zu klein, so dass ein neuer Standort gesucht und auf der Gemarkung von Neuendorf an der Eisenbahnlinie Berlin-Wetzlar gefunden wurde. Hier entstand dann eine moderne Fertigungsstätte der Firma Aktiengesellschaft für Feld und Kleinbahnbedarf vormals Orenstein und Koppel. Am neuen Standort wurden ausschließlich Lokomotiven produziert. Zentrum der Fabrik war ein kreisrunder Kuppelbau, der es erlaubte, die Lokomotiven in Fließfertigung herzustellen. Wegen ihres Aussehens wurde die Produktionshalle auch Zirkus genannt - sie ist heute ungenutzt, steht aber als Industriedenkmal unter Denkmalschutz. Das Gelände wurde in den Folgejahren mehrfach vergrößert. Es entstanden weitere Fertigungsanlagen, Büros, Lehrwerkstätten, Verwaltungs- und Sozialgebäude. Ein wichtiger Kunde war die Königlich-Preußische Eisenbahnverwaltung, die Großlokomotiven bestellte.
Die Weltkriege
Im Ersten Weltkrieg wurden auch Dampfwalzen und Signalanlagen hergestellt. Ab 1933 wurden dann Diesellokomotiven in das Produktionsprogramm aufgenommen. Das Werk wurde in die Kriegsvorbereitungen einbezogen. In den Mobilmachungsplänen war die Fabrik als Reserveproduzent für Granaten vorgesehen. In den Kriegsjahren wurden auch Teile für Panzer hergestellt. Die Belegschaft vergrößerte sich von 1936 bis 1944 von 1.600 auf 4.000, wobei auch viele Zwangsarbeiter darunter waren.
seit 1945
Am 25. April 1945 besetzten sowjetische Truppen Babelsberg. Am gleichen Tag wurde das Verwaltungsgebäude durch Brandstiftung teilweise zerstört. Ab dem 5. Mai wurde das Werk teilweise demontiert, die Demontage wurde jedoch am 15. Juni durch den Befehl der SMAD gestoppt. Ab 21. Juli 1945 produzierte das Werk wieder. Es wurden Waggons und Lokomotiven repariert, ab September 1945 auch Öfen und landwirtschaftliches Gerät. Die Produktionsstätte von Orenstein & Koppel in Babelsberg wurde im Oktober 1945 beschlagnahmt und am 15. Juli 1948 enteignet. Erster Großauftrag nach dem Krieg waren Projektierung und Bau einer Kesselschmiede in Leningrad. Ab dem 1. Mai 1947 wurden Schmalspurlokomotiven hergestellt. Seit dem 1. März 1948 hieß das Unternehmen VEB Lokomotivbau „Karl Marx“. Ab 1950 wurden die ersten Diesellokomotiven hergestellt, die damals 30 PS (≈ 22 kW) auf die Schiene brachten. Die letzte Dampflok wurde im Jahr 1960 hergestellt. Ab 1970 beendete die DDR die Produktion von Großdiesellokomotiven und setzte auf dem Reichsbahnnetz die Großlokomotive der Baureihe „V 200“ (später „BR 120“) ein, die wegen ihrer Herkunft auch Taigatrommel genannt wurde. Der VEB Klimatechnik Karl-Marx-Werk produzierte ab 1969 Klimablöcke. Die nächste Produktionsumstellung ließ nicht lange auf sich warten. Bereits Ende der 1970er Jahre rollten Autodrehkräne vom Band. Hergestellt wurden Kräne mit 7,5 und 12,5 Tonnen Tragkraft.
Das Werk war nach der Schließung der „Norddeutsche Wollkämmerei & Kammgarnspinnerei“ und der Adolf Pitsch Aktiengesellschaft das größte Unternehmen in Nowawes bzw. Babelsberg. „Orenstein & Koppel“ und später das „Karl-Marx-Werk“ waren ein bestimmender Faktor in der Entwicklung der Stadt bzw. des Stadtteils. Das Werk war auch der Trägerbetrieb (Sponsor) des Sportvereins Motor Babelsberg.
Im 21. Jahrhundert wurde auf dem Gelände ein Gewerbegebiet eingerichtet, mit dem Namen Gewerbe im Park (GIP). Vom alten Werk ist nicht viel übrig geblieben. Am bedeutendsten sind der sogenannte Zirkus und das Bürogebäude in der Ahornstraße. Als „Zirkus“ wird die sechseckige Montagehalle mit der zentralen Schedtler-Kuppel (48 m Spannweite) umgangssprachlich bezeichnet. Sie steht unter Denkmalschutz. Zuletzt wurde die Kuppelhalle sporadisch für Konzerte und als Filmkulisse benutzt. Einen Investor aus der Branche zu finden, wie die UFA Film & TV Produktion oder das Studio Babelsberg gelang nicht. Allein der Erhalt der Halle wurde auf 3,5 Millionen Euro geschätzt. Zusätzliche Ausgaben wären für die Instandsetzung des Gebäudes sowie für die Herrichtung der inneren Räumlichkeiten, um sie für den eigentlichen Zweck (z. B. Filmproduktionen) nutzen zu können, notwendig.
Umbau des Lok-Zirkus Babelsberg zum Hauptzollamt Potsdam
Nach mehr als 120 Jahren Industrienutzung und Leerstand wird das Gebäude nun durch Privatinvestoren in ein modernes Büro- und Verwaltungsgebäude umgebaut und zukünftig an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) vermietet. Genutzt werden soll das Gebäude ausschließlich durch das Hauptzollamt (HZA) Potsdam mit ca. 540 Arbeitsplätzen. Neben der Zollamt-Leitung werden an diesem Standort sämtliche Sachgebiete inkl. der Abteilungen für den neuen Flughafen Berlin-Brandenburg untergebracht.
Um die Nutzungsanforderungen einer Bundesbehörde zu erfüllen, sind massive Umbaumaßnahmen in Arbeit. Der überwiegende Teil der notwendigen Nutzflächen (ca. 16.000 m²) entsteht durch den Einbau neuer Geschossdecken innerhalb des sechseckigen Ziegelbaus. Unter der Kuppel wird ein eingeschossiges, in den Boden versenktes Gebäude mit begehbarem Dach errichtet. Die historische Kuppelhalle bleibt somit auch nach dem Umbau weiterhin in seiner Großzügigkeit erlebbar.
Die Haupterschließung des Gebäudes erfolgt über die historische Lokomotiven-Durchfahrt, die in ein Foyer umgewandelt wird. Über repräsentative Treppen wird der Kuppelhof vom Foyer aus erreicht. Die vertikale Erschließung des Gebäudes erfolgt über sechs Treppenräume analog zu den sechs Gebäudesegmenten des hexagonalen Ziegelbaus. Sämtliche Büroräume werden über die Straßenfassaden natürlich belichtet und belüftet. Dazu werden neue Fensteröffnungen in der vorhandenen Ziegelfassade hergestellt. An den Fassaden des Kuppelhofes werden Lagerräume, Archive, Asservatenkammern und große Besprechungsräume untergebracht, die größtenteils ebenfalls natürlich belichtet und belüftet werden. Die vorhandene Sheddach-Konstruktion aus Stahl wird durch ein neues Dach aus Stahlbeton ersetzt. Die historische Sheddach-Form wird dabei aufgegriffen und neu interpretiert. Auf den Freiflächen werden Stellplätzen für Kfz und Fahrräder vorgesehen. Zusätzlich ist eine Tiefgarage mit 118 Kfz-Stellplätzen und einem Übergang zum Hauptgebäude geplant.(*)
Weitere Bilder – Stand 10/2024
Quellen
- Driven Investment GmbH bündelt 29 Investoren für den Bauherrn Paradome GmbH & KG
- (*)Projektbeschreibung der Kniepkamp Architekten
Weblinks
- Orenstein & Koppel – Artikel bei der Wikipedia
- Made in ... – Artikel bei der PNN, vom 3. April 2009
- Interpol-Agent im Lok-Zirkus - Artikel der PNN vom 18.07.2007